Drei Fragen an amm-Beirat Milo Alan Puhan

Milo Alan Puhan, Prof. Dr. med. et phil., leitet seit 2013 den Lehrstuhl und das Institut für Epidemiologie an der Universität Zürich. Er ist seit 2017 Präsident der Swiss School of Public Health  und leitete von 2016-23 das Nationale Forschungsprogramm «Gesundheitsversorgung» des Schweizerischen Nationalfonds, dessen Ergebnisse für Anliegen der Akademie Menschenmedizin relevant sind.

1. Sie sind neu im Beirat der amm. Was hat Sie bewogen, diese Aufgabe zu übernehmen?

 

Es braucht einen Dialog um die Ziele und Gestaltung unseres Gesundheitswesens. Die Akademie Menschenmedizin und die Stiftung, die sich mit dem Meikirch-Modell auseinandersetzt, setzen sich für einen solchen Dialog ein und ich möchte mit meinen Erfahrungen, unter anderem aus dem Nationalen Forschungsprogramm 74 «Smarter Health Care» des Schweizerischen Nationalfonds dazu beitragen.

 

2. Welcher Aspekt der Menschenmedizin ist Ihnen besonders wichtig? In welchem Bereich sehen Sie besonders dringenden Handlungsbedarf?

 

Medizin sollte nicht delegiert werden wie ein Konsumgut. Wir Gesundheitsfachleute müssen die Menschen als Menschen in ihrem Lebenskontext besser erfassen und auf ihre Bedürfnisse über die medizinische Sicht hinaus eingehen. Die Menschen in unserem Land sollten über die Lebensspanne besser in der Entwicklung der Gesundheitskompetenz unterstützt werden, damit sie sie vermehrt wissen, wann sie wo Unterstützung erhalten können und etwas mehr Verantwortung für ihre Gesundheit im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten wahrnehmen können. Es besteht also dringender Handlungsbedarf in der Aus-, Weiter- und Fortbildung von medizinischen Fachpersonen, und an altersentsprechenden Angeboten (vom Schul- bis ins hohe Alter) für das Erlernen von Gesundheitskompetenz. 

 

3. Wenn Sie darüber entscheiden könnten: Welche konkrete Änderung würden Sie am Gesundheitswesen in der Schweiz vornehmen und warum?

 

Man könnte an vielen Stellen ansetzen, wie das Nationale Forschungsprogramm 74 «Smarter Health Care» des Schweizerischen Nationalfonds aktuell zeigt. Wenn ich eine einzelne Massnahme benennen muss, dann würde ich dafür plädieren, in anonymisierter Form die detaillierten Abrechnungsdaten von Krankenkassen für die Forschung und die Behörden zur Verfügung zu stellen, denn aktuell bilden nur sie die ambulante und stationäre Versorgung über die Zeit ab. Wir haben aktuell praktisch keine Daten aus der ambulanten Versorgung, obwohl hier ein Grossteil der Versorgung stattfindet, und auch die eigentlich guten Spitaldaten bieten keine Übersicht über die zeitlichen Verläufe. Daher wissen wir immer noch viel zu wenig über die Qualität der Versorgung in der Schweiz.