Drei Fragen an amm-Beirat Ernst Hafen

Ernst Hafen ist emeritierter Professor für Genetik an der ETH Zürich und Mitgründer der MIDATA Datengenossenschaft.

1. Sie sind neu im Beirat der amm. Was hat Sie bewogen, diese Aufgabe zu übernehmen?

 

Bei der amm steht der Mensch als Ganzes im Zentrum des Gesundheitssystems. Seit mehreren Jahren setzte ich mich dafür ein, dass wir Menschen (gesund oder krank) als rechtlich und ethisch einzig berechtigte Integratoren und Verwalter unserer Gesundheitsdaten im Zentrum eines neuen Gesundheitssystem stehen sollen. In einem solchen System kann ich meine anonymisierten Daten für Forschungszwecke zu Verfügung stellen. Nur so können Ärztinnen und Ärzte aufgrund meiner jederzeit verfügbaren Daten – von der Wiege bis zu Bahre, einschliesslich der Gesundheitsdaten von meiner Smartwatch und meinem Handy – und den Forschungsergebnissen aus der Gesamtheit unserer Daten zusammen mit mir bessere und personalisierte Gesundheitsentscheidungen treffen.  

 

 

2. Welcher Aspekt der Menschenmedizin ist Ihnen besonders wichtig / In welchem Bereich sehen Sie besonders dringenden Handlungsbedarf?

 

Gesundheitsdaten sind enorm vielseitig und komplex. Ich bin mit dem Einfordern, Strukturieren und Darstellen dieser Daten völlig überfordert. Es braucht eine neue vertrauensvolle Institution (z.B. eine Datengenossenschaft), welche mir diese Aufgabe abnimmt. Die allermeisten von uns haben ein Bankkonto. Auf diesem Konto kommen alle unsere Einnahmen zusammen und nur wir entscheiden, wie und wofür wir unser Geld ausgeben, beziehungsweise anlegen. Wir benutzen E-Banking und erledigen die Aufgaben der Bank am Sonntagabend. Wenn ich und meine Frau, wir kürzlich geschehen, nicht wissen, was wir bei meiner Pensionierung mit unserem Pensionskassen- und Dritte-Säule Geld machen sollen, gehen wir zu einem Finanzdienstleister (in unserem Fall dem Vermögenszentrum) und bezahlen für eine Finanzberatung, die nur möglich ist, weil wir die Daten über unsere finanzielle Situation besitzen. Im Gesundheitssystem brauchen wir vertrauenswürdige Institutionen und sichere Plattformen für das E-Banking mit unseren Gesundheitsdaten. 

 

3. Wenn Sie darüber entscheiden könnten: Welche konkrete Änderung würden Sie am Gesundheitswesen in der Schweiz vornehmen und warum?

 

Das Gesetz zum Elektronischen Patientendossier muss revidiert werden, so dass daraus ein Gesetz für ein integriertes Gesundheitsdossier entsteht. In diesem Dossier müssen die Daten strukturiert und unter der Kontrolle des Individuums sein. Das Individuum entscheidet auch über die Zweitnutzung der anonymisierten Daten für Forschungszwecke. Jedes Dossier enthält alle Gesundheitsdaten eines Menschen von der Wiege bis zu Bahre inklusive die 24/7 aufgenommenen Gesundheitsdaten vom Smartphone in strukturierter Form. Vertrauen, Transparenz und Anreize sind zentral für die Realisierung eines solchen integrierten Gesundheitsdossiers. Vertrauen kann geschaffen werden, indem der Staat die gesetzlichen Rahmenbedingungen schafft und die Dateninfrastruktur von den staatsnahen Betrieben Swisscom, Post und SBB gemeinsam aufgebaut und betrieben wird. Transparenz wird geschaffen, wenn die Daten treuhänderisch von unabhängigen, demokratisch verwalteten Datengenossenschaften verwaltet werden, so dass ich jederzeit jederzeit sehe, wer auf meine Daten zugegriffen hat. Die Verfügbarkeit der Daten in integrierten Gesundheitsdossiers wird die Effizienz und Effektivität im Gesundheitssystem wesentlich erhöhen und damit die Kosten senken. Durch die Zweitnutzung der anonymisierten Daten in einem durch die Genossenschaften verwalteten Gesundheitsdatenraum durch Forschungsinstitutionen würde Einkünfte generieren, die dem Gesundheitssystem und den Menschen (z.B. in Form reduzierter Prämien in der Grundversicherung) zugute kämen. 

 

In der amm möchte ich mich für eine solche digitale, menschenzentrierte Transformation im Gesundheitssystem einsetzen.